...we have the music

Dienstag, 28. Juni 2005

Liefergut revisited

Wieder ein Päckchen in der Post, von den kriegerischen Internethändlerinnen. Geliefert wurde Altbekanntes und Neues wobei die Freudenausbrüche, diesmal etwas getrübt ausgefallen sind. Arcade Fire kannte man ja schon, zu denen muss man sich hier auch nicht mehr äußern - auf die könn' wir uns einigen. Mitgereist, sind auf dem Leichenzug die Alben von Flotation Toy Warning und Antony and the Johnsons und zu denen möchte man schon ein Wort verlieren, denn da ist man sich noch nicht sicher, ob man sich mit sich selbst so richtig einig wird.
Zuerst das Neue:
flotation Man hatte irgendwann einen Song in der Berieselungsmusik eines Konzerts gehört, den gut gefunden, nachgefragt, dann Rezensionen bemerkt, die das Album in den Himmel lobten, dann zugeschlagen und dann: Die leichte Ernüchterung und/oder Verbitterung über die Musikpresse. Denn: Too much of an old thing, is an old thing (um das Parallel zu Herrn Oberst zu formulieren). Floatation Toy warnings Bluffers Guide to Flight Deck ist ohne Zweifel ein solides Album. Verschleppte Beats, einige angenehm schrullige Einfälle und ein sympatisch verraucht raunzender Sänger vermengen sich zu einer Mischung aus den Eels, während sich die entscheiden, ob sie Beautiful Freak oder Daisies of the Galaxy ihr Lieblingsalbum nennen sollen, gepaart mit ein paar Tropfen Flaming Lips als psychoaktivem Zusatz. Nur leider hört man Flotation Toy Warning diese Vorbilder zu stark an, um noch überrascht werden zu können. Die Herren sind gut - aber einfach ein paar Jahre zu spät dran.
antony Ein ähnlich anachronistisches Gefühl stellt sich bei Antony's I am a Bird now ein. Bilder von ekelhaften Barpianisten kommen einem da in den Kopf, ein verträumtes Piano, schnulzende Geigen ... kurz, das große Problem, dass ich mit dem Album habe, ist, dass es mir gefällt, obwohl ich es mir nicht erlauben will. Sicher ist, dass man diese Musik eher von einem Joe Cocker erwarten würde, aber Joe Cocker ist nicht Antony und mit einer Reibeisenstimme könnte man nicht das erreichen, was auf diesem Album geschieht. Antony schafft es mit seiner notorisch vibrierende Falsettstimme den Texten, die rund um das ewige Thema gender-basierter Identitätsuche rotieren, eine zusätzliche Qualität zu verleihen. Eine Symbiose zwischen Form und Inhalt innerhalb der hoch aufgetürmten Pathoswände. Ohne die Person des Sängers würden diese Songs nicht funktionieren. Sie tun es aber.

Mittwoch, 8. Juni 2005

Fall in Love with everything you hear. Teil 3 – Jetzt erst recht

Endlich hatte der Postbote Mitleid und hat das Päckchen (das bestimmt schon seit Tagen am Postamt lag) endlich in meinem Briefkasten zurückgelassen. Jetzt klebt man seit Stunden an den Boxen und hört sich durch das neue Opus einer alten Liebe und das Werk eines Menschen, in den man sich eventuell noch verlieben könnte.
b0007udcbc.03.lzzzzzzzEinerseits eben Okkervil River, denen man den Weg seit ihrem ersten Longplayer anhört. Während „Don’t fall in love with everyone you see“ noch in die Schublade „affektgesteuertes Frühwerk“ zu stecken war (sprich: Viel Schmiss, viel Gefühl, aber manchmal einfach meilenweit übers Ziel hinaus), hält Will Sheff (nein ich lasse mich nicht auf ein dummes Wortspiel mit dem Namen ein) auf „Black Sheep Boy“ die Zügel eindeutig fest, sicher und warm in der Hand. Und der Gaul rennt, dass es eine Freude ist. Man wird das Gefühl nicht los, dass man hier ein Kunstwerk in den Händen hält, nicht nur im metaphorischen, sondern auch im wörtlichen Sinne. Das fängt bei den Artworks an, die man sich gesammelt auf T-Shirts drucken will, um offen zu deklamieren, dass man zu den Erleuchteten zählt, und setzt sich zur generellen Anlage des Albums fort: „Black Sheep Boy“ basiert, schön verkopft, auf einem Tim Hardin-Song, der konsequent auf Albumlänge verhandelt wird. Eine Geschichte auf mehrere Skizzen über die Adoleszenz aufgedröselt. Musikalisch angenehm oszillierend zwischen verträumter Hingabe und stürmischer Pop-Fetzerei. Und: Will Sheff hat singen gelernt. Das soll nicht verschwiegen werden. Wenn Okkervil River nach diesem Album nicht zur Stadion-Band werden und weiterhin im Vorprogramm von the Rilo Kiley spielen müssen, weiß ich auch nicht mehr.

b0002ujmde.01.lzzzzzzzEine ähnliche Albumkonstellation stellt man beim Hören des anderen Lieferguts fest: Mica P. Hinson und sein Begleitorchester „the gospel of progress“ haben nicht umsonst darauf verzichtet, dem Album einen anderen Titel zu geben als den Selbsttitel. Denn "Gospel of Progress" trifft den Sachverhalt recht gut: 13 Songs, bei denen nicht immer klar wird, wo denn die Songgrenzen liegen – auch hier also eine Summe, die mehr ist als ihre Einzelteile. Hinson bedient mit Vorliebe den Regler für die Laut-leise Dynamik, oftmals vielleicht eine Spur zu vorschnell, als dass die Nackenhaare Zeit hätten, sich nachhaltig aufzurichten. Da hätte man sich an manchen Stellen gewünscht, dass der charmante Texaner den Spannungsbogen etwas länger über die Saiten gleiten ließe, bevor er die Streicher mit sich durchgehen lässt. So ist ein Album übrig geblieben, von dem noch nicht ganz sicher ist, ob es sich zu einer längeren Beziehung entwickeln wird, auch wenn man es sich bestimmt wieder anhören wird, schon allein um den letzten Song „the day texas sank to the bottom of the sea“ noch einmal zu hören – und dafür kommt man, wie gesagt, am Rest des Albums nicht wirklich vorbei.

Dienstag, 24. Mai 2005

Black Sheep boy

Das erste Mal, dass mich die Amazon-"Wir wollen, dass du noch mehr kaufst und schlagen dir daher alles vor, was dich nur ansatzweise interessieren könnte"-Aktion wirklich auf etwas hingewiesen, das brauchbar sein könnte. Denn Helden tauchen oft auf, wie Gespenster auf öffentlichen Toiletten. Und jetzt tagelang das bange Warten. Wer schon Erfahrungen mit dem Album hat, möge sie mir doch bitte mitteilen.

Mittwoch, 18. Mai 2005

In a safe place

set3_18631

Man hatte sich also wieder ins Kulturzentrum seines Vertrauens verirrt. Der alte, verrückte Mann, der einem schon das XiuXiu-Konzert versaut hatte, war auch da und bildete sich wie immer ein, ein Teil der Band zu sein. Luftgitarre an der Bühnenkante. Gestern bekam er dafür allerdings nur selten Gelegenheit. Denn Gitarren waren bei the Album Leaf nur selten im Einsatz. Stattdessen Moog-Orgel, Mediashow und ein wie hypnotisiert spielender Geiger. (Da konnte der verrückte Mann noch so oft Beatles-Songs einfordern) Das alles vermischte sich zu einem Sound, den man nicht ganz zuordnen konnte, irgendwo zwischen himmelschreiend langweilig und grandios warmherzig. Und auch der gute, alte Satz "Musik, zu der man gerne Sex haben möchte", passte nicht so wirklich. Eher nur kuscheln. Einen ganzen Sonntag lang.

Montag, 16. Mai 2005

Suffice to say, we were all relieved to be back in Omaha.

Gretta Cohn, Tourdiary, lesen.

Mittwoch, 11. Mai 2005

I want your head

the paper chase
Da waren sie also. Und man musste lange auf sie warten. Es ist das alte Syndrom. Monatelang fiebert man den angepeilten Großereignissen entgegen und dann entwickelt sich alles irgendwie ganz anders. Nicht schlecht, aber alles so ein bisschen daran vorbei, wie es eigentlich ablaufen sollte.
So auch gestern. Und dabei hatte ich während der zweiten Vorband schon irgendwie so ein erhebendes Gefühl. Eines von der Sorte "Es wird alles gut" - eine fast transzendente Erfahrung. Aber dann löst sich alles auf. Auf einmal schlägt alles um in ein Gefühl fortgeschrittenen Detachements und man sieht sich wieder einmal selber dabei zu, wie man trunken durch die Nacht hüpft und dabei ständig denkt, dass nichts zusammenpasst. Die Band zu groß, die Bühne zu provinzell, man selbst ist es sowieso und dann fängt man auch noch an, Leute zu umarmen, weil sie die selben Lieblingslieder haben (an dieser Stelle noch einmal Asche aufs Haupt) Wenn man es auf den Euphemismus anlegt, könnte man sagen, dass die Stimmung der PaperChase-Songs einfach übergegriffen hat. Aber die Beklommenheit war hausgemacht. Und das Konzert hätte einem wahrscheinlich gut gefallen - wäre es nicht gestern gewesen.

Sonntag, 8. Mai 2005

Support the music that you love

home taping is killing music
Endlich eingescannt, dieses wunderschöne Fundstück. Stammt von einem Vinyl-Schutzumschlag aus dem Jahre Schnee. (Und wer auch immer sich die Mühe macht, das mit einer Cd neu zu designen, möge mir das zukommen lassen)
Wenn man sich überlegt, dass die Plattenfirmen damals schon so große Angst vor der Kassette hatten, müssen bei den Rohlingen dann wirklich sämtliche Magengeschwüre aufgebrochen sein.

Donnerstag, 28. April 2005

A car will run you over. Be careful, J.S.

xiu xiu Selten, aber doch passieren auch hier große Dinge. Und sie passieren, ganz egal, wer versucht sie zu verhindern. So auch gestern. Trotz einer verrückten Frau in einem Overall und einem beschränkten Zwerg mit Rockstarambitionen kamen XiuXiu, sangen und siegten. Sie im Licht mit einer Haut wie Porzellan und meinem Kuli in der Nase und er mit halb geöffneten Augen, aus denen nur noch das Weiß geleuchtet hat. Und wir liefen durch die Straßen, und konnten unser Glück nicht fassen. Weihnachten war gestern. Wirklich.

Montag, 18. April 2005

Mord ist ihr Hobby

Man liest ihn oft in den Bandbios derer, die schon lange über den Zenith ihrer Karriere gekrochen sind, diesen altklugen, das-waren-noch-Zeiten-Satz: "Damals haben wir vor 15 Leuten gespielt und die Hälfte waren Freunde vom Veranstalter." Zumeist folgt darauf jene Schilderung des Aufstiegs die wir uns hier einfach, ob ihrer Austauschbarkeit, in Gedanken vorstellen. Auf dem gestrigen Konzert der Jessica Fletchers hätte man sich fragen können, ob auch hier die Fortsetzung der Geschichte in altbekannter Art erfolgen wird. Wahrscheinlich wohl nicht.
Der Gedanke kam einem schon bei Morgan Finlay, dem Kanadier, der den Supportpart bestritt. Nette gefällige sensitive-love-songs, von einem Mann, der beim Singen in die Knie geht und eine Stimme wie Bryan Adams sein Eigen nennt. Das klingt schauerlich, war aber nicht ganz enttäuschend. Andere verdienen mit solcher Musik Millionen (ich denke da zum Beispiel an Bush und andere Pearl-Jam Imitate), während Morgan Finlay kleinlaut darauf hinweist, dass er Cds und T-Shirts verkauft, um sich das Benzin für sein Auto kaufen zu können.
Und dann eben noch The Jessica Fletchers, Norweger, die lange und ausgiebig in den Plattenschränken ihrer Eltern gekramt haben dürften. Brave Beach Boys Zitate, nette Rhytmusgitarren, die obligatorische Hammond-Orgel, Backenbart und Kleidung frisch vom 70er-Flohmarkt. Auch hier das Gefühl, dass die Musik so unaufgeregt und konservativ ist, dass sie für die kaufkräftige 40+ Generation perfekt funktionieren sollte. Wer weiß, vielleicht werden sie schon bald berühmt, und dann schreibe ich irgendwann in meiner Biographie, dass ich dabei war, als sie damals einmal vor 15 Leuten gespielt haben. Und ich war die Hälfte des Publikums.

Dienstag, 12. April 2005

popmusik ohne ausschaltimpulse (mach immer was dein herz dir sagt)

kettcar schicken sich anscheinend momentan an, die größte deutsche band der welt zu werden, und mit kettcar ist es bei mir ein bißchen so, wie heinz prüller bei der parabolica immer sagt: das herz sagt ja, das hirn sagt nein. die meisten menschen kennen diese situation auch aus dem alltag und wissen, was zu tun ist: auf das hirn zu hören natürlich. und das hirn sagt, in so einer situation, wenn du nicht mehr weiter weißt, dann muss viel mehr weisheit in dich rein, da mußt du halt lesen was zu tun ist.

ja gut, dann mach ich das mal eben, tun, was mein herz mir sagt. das sagt, denk doch an früher, also an ganz früher, damals, die zweite minidisc, die du jemals gehabt hast, da war ein stück von but alive drauf, "weniger als fünf sekunden" hat es geheißen, und schon da war die stimme von marcus wiebusch, zum beispiel im bus damals von der fete bei f. heim. und schon da waren diese 2 oder 3 textzeilen pro song, die du in unterarme, klotüren, kleidungsstücke und ins nutellabrot ritzen wollen würdest, wenn du nicht zu feig dazu wärst. und die sind doch auf "von tauben und spatzen, dächer und händen und dem ganzen rest" immer noch da. und dazu diese melodien, die du, dreimal gehört, nicht mehr aus dem kopf kriegst, die du leise vor dich hin singen mußt, oder laut, je nachdem, wie peinlich es gerade ist.

hör nicht auf das hirn, sagt es weiter, das sagt, aber ein bißchen glatt hinproduziert ist das schon, das ist doch musik ohne aussschaltreflexauslöser, das ist doch ringetonewerbungs-pausenfüller-musik. das ist doch nicht der krach, schmutz und staub, das, wo es wehtut, eben nicht die gute musik. und solange das indie-spießer ärgert, sagt dann das hirn nach einer kleinen nachdenkpause, solange höre ich kettcar, denen es nicht zu peinlich ist, sätze zu singen, wie: mach immer was dein herz dir sagt.

kettcar - von spatzen und tauben, dächern und händen, ghvc

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