Dienstag, 12. April 2005

popmusik ohne ausschaltimpulse (mach immer was dein herz dir sagt)

kettcar schicken sich anscheinend momentan an, die größte deutsche band der welt zu werden, und mit kettcar ist es bei mir ein bißchen so, wie heinz prüller bei der parabolica immer sagt: das herz sagt ja, das hirn sagt nein. die meisten menschen kennen diese situation auch aus dem alltag und wissen, was zu tun ist: auf das hirn zu hören natürlich. und das hirn sagt, in so einer situation, wenn du nicht mehr weiter weißt, dann muss viel mehr weisheit in dich rein, da mußt du halt lesen was zu tun ist.

ja gut, dann mach ich das mal eben, tun, was mein herz mir sagt. das sagt, denk doch an früher, also an ganz früher, damals, die zweite minidisc, die du jemals gehabt hast, da war ein stück von but alive drauf, "weniger als fünf sekunden" hat es geheißen, und schon da war die stimme von marcus wiebusch, zum beispiel im bus damals von der fete bei f. heim. und schon da waren diese 2 oder 3 textzeilen pro song, die du in unterarme, klotüren, kleidungsstücke und ins nutellabrot ritzen wollen würdest, wenn du nicht zu feig dazu wärst. und die sind doch auf "von tauben und spatzen, dächer und händen und dem ganzen rest" immer noch da. und dazu diese melodien, die du, dreimal gehört, nicht mehr aus dem kopf kriegst, die du leise vor dich hin singen mußt, oder laut, je nachdem, wie peinlich es gerade ist.

hör nicht auf das hirn, sagt es weiter, das sagt, aber ein bißchen glatt hinproduziert ist das schon, das ist doch musik ohne aussschaltreflexauslöser, das ist doch ringetonewerbungs-pausenfüller-musik. das ist doch nicht der krach, schmutz und staub, das, wo es wehtut, eben nicht die gute musik. und solange das indie-spießer ärgert, sagt dann das hirn nach einer kleinen nachdenkpause, solange höre ich kettcar, denen es nicht zu peinlich ist, sätze zu singen, wie: mach immer was dein herz dir sagt.

kettcar - von spatzen und tauben, dächern und händen, ghvc

Weisheit minus Zähne

Den Scan erspar ich euch. Nur ein Zitat vom lieben Adam Green: "Cleaning out my wisdom teeth, I found a diamond in my gums". Schön wärs.

Sonntag, 10. April 2005

...

Spucke weg. Man soll ihn nicht zu sehr loben, aber das neue Bright Eyes-Video, welches man hier bewundern kann, ist mit Abstand das schönste, das ich in meinem Leben jemals sehen durfte. Noch nie war so viel Wärme in einem Musikvideo. Der nächste Frühling kommt bestimmt.

Der König von Amerika

Alles, wofür er bekannt ist, hat er nicht erfunden. Weder Mickey, noch Donald oder Pluto stammen aus seiner Feder. Nicht einmal der berühmte Schriftzug, der Kindern und Erwachsenen auf der ganzen Welt zum Symbol für Familienunterhaltung wurde, stammt von ihm. Walt Disney ist nichts als ein gemeiner Dieb. Dieser Meinung ist zumindest William Dantine, der Ich-Erzähler von Peter Stephan Jungks Roman-Biographie „Der König von Amerika“. Seit der Zeichner bei Disney gekündigt wurde, ist er von der Person Walt Disneys regelrecht besessen. Mit manischer Akribie sammelt er Informationen über das Leben Disneys, befragt Menschen aus dessen Umfeld, tut alles, um seinem Idol nahezukommen. In Dantines Bestrebungen spiegelt sich die Problematik der Gattung Biographie im Allgemeinen: Wie kann ein Text einer realen Person entsprechen? Was macht diese Person überhaupt aus? Eigentlich muss das Ziel einer Biographie, das Verstehen einer Person, fast zwingend unerreichbar bleiben. Mit dem Kunstgriff, den Ich-Erzähler als ordnende Instanz in einem Geflecht von mündlich tradierten Anekdoten und Begebenheiten einzusetzen, reflektiert und meistert Jungk gekonnt diese Problemstellung. Denn auch Dantine kann trotz eifrigster Recherche den Menschen hinter der Marke nie vollständig begreifen. Doch der Umstand, dass dieser Erzähler von Disney zu gleichen Teilen fasziniert wie auch abgestoßen wird, lässt für den Leser ein äußerst differenziertes Bild dieses „Königs von Amerika“ entstehen. Die Figur Disney wird kunstvoll demaskiert, aber nie bloßgestellt. Ein geglückter Blick hinter die Kulissen eines amerikanischen Mythos.

Peter Stephan Jungk: Der König von Amerika; (Suhrkamp Taschenbuch, €8,80, 243 Seiten)

Samstag, 9. April 2005

Gefahr im Verzug

... das gilt nicht nur für die designierten Imker vom Bienenzüchterverein Österreichs, (das wir das noch erleben durften!) sondern auch für die heutige, fremdverordnete Abendgestaltung. Und da man sich seine Freunde im wirklichen Leben weder aussuchen, noch sie ausschließen kann, bereite ich mich also jetzt schon auf die things to come vor. Nämlich auf dies, und jenes. Na denn, Prost.

Freitag, 8. April 2005

wenn ja, dann kommt es wenigstens nie durch

beim blumenau heute eine nepotismus-apalogie, weil er gestern auf dem konzert von einem kollegen war. gestern haben auch wir vom creekpeople-resort-team auf zwei hochzeiten getanzt, die natürlich auch beide, wenn schon nicht gerade von unseren neffen, so doch von unseren zumindest indirekten freinderln und bekannten waren.

zuerst mußten wir noch austrinken und dann haben wir noch g. und e. getroffen und dann sind wir rein ins zukunftszentrum, das so zukünftig ist, dass es stunden dauert, bis der ganze flash-intro-scheiß geladen ist. anläßlich der dortigen women-schwerpunktwoche haben die hoch sympathischen damen von der weiberwirtschaft zu einer modenschau gebeten, und modenschau war man ja auch noch nie, und es war auch sehr nett und amüsant dort, nur dass das handy von der frau neben mir einen coldplay-ringtone hatte (i don't belong here, habe ich gedacht, und das dann den ganzen abend lang als ohrwurm gehabt, und es hat auch oft gestimmt). am besten hat mir das t-shirt mit der aufschrift bitte nicht knicken gefallen. eigentlich war dort auch noch eine ausstellung, aber das einzige was ich davon gesehen habe, waren barbie- & kenbilder, also alles klar.

wir mußten denn auch weiter, denn ein paar menschenleere straßen weiter hat der umstriebige e. eine studentenfilmnacht (open beamer sozusagen) auf die beine gestellt und nebenher noch eine theaterpremiere, weswegen er erst kam, als der herr creekpeople schon gegangen war, weil müde und schlechte filme. dann wurde es aber immer besser, das mädchen, das neben mir gesessen ist, hat zu ihrer freundin gesagt, es seien doch ziemlich psychologische filme, die da gezeigt würden. vielleicht hat sie recht gehabt, was weiß man schon. meine drei favouriten waren jedenfalls "don't speak" eben vom e., in dem er den schönen satz sagt: "wenn ja, dann kommt's wenigstens nie durch", dann stan, was so eine orwell-sache war, wo ich mir aber den regisseur nicht gemerkt habe, und dann noch "prank", den e. aus köln mitgebracht hatte, wo sie leute in einer prolldisko auf dem klo interviewen und so tun, als wüden die dann berühmt, wenn sie was geistreiches sagen. es wäre dann sogar noch weiter gegangen, aber ich war auch müde und sagte zu dem mädchen neben mir, dass ich aufstehe, weil wir sind auf einer bierbank gesessen, die kippen ja sehr leicht, wenn man ganz außen sitzt und dann einer aufsteht.

Zimmer mit Sonnblick

Mit einiger Verspätung nun doch noch ein Nachbericht zu den Rauriser Literaturtagen, bei denen ich letzte Woche im Rahmen einer Uni-Exkursion zugegen sein durfte. Es hätte schneller gehen können, doch nach eingehendem Studium jener Notizen, die ich mir in bester Reise-Manier gemacht hatte, musste ich beschließen, dass dieser pseudomelancholische Stimmungsschwachsinn, der sich da breit gemacht hatte, sicher nicht am Blog noch einmal aufgewärmt werden sollte. Deshalb jetzt ein Rückblick, der weitgehend aus dem Gedächtnis kommt. Und die Erinnerung haben wir, wie Urs Widmer gesagt hat, sowieso erst in einem Jahr.

Wer nicht unbedingt weiß, wo Rauris liegt, hat das selbe Problem wie ich vor zwei Wochen. Und auch während der Anreise löst sich das Problem nicht wirklich. Rauris versteckt sich. Ein Bahnhof, den man sich mit einer anderen Gemeinde teilt und der einem das Gefühl gibt, ein Ticket ins Nirgendwo gelöst zu haben. Dann eine Busfahrt hinein in ein Tal, die Berge schließen sich hinter einem wie Sargdeckel. Und dann dieser kleine Ort, der von Anfang an seine Provinz nicht leugnet. Schließlich die Frage: Was zum Teufel machen Literaturtage an einem derart gottverlassenen Ort? Die Antwort, keine Ahnung, aber sie machen es gut.

Mitwoch, 30. 3.05
Die Eröffnung konnte dem Provinzmief noch nicht wirklich etwas entgegensetzen. Nicht enden wollende Lobhudeleien von Bürgermeistern, ihren Stellvertretern und Stellvertretern von Landeshauptleuten, ORF-Fuzzys und ähnlichem. Und schließlich die ersten Worte einer Frau, die uns in diesen Tagen noch öfter begegnen sollte, sowohl als Moderatorin, als Organisatorin und als Laudatorin: Brita Steinwendtner, der Mensch gewordene Konjunktiv. Kein Satz, der sich nicht mit "vielleicht" einleiten ließe. Vielleicht könnte, sollte, müsste man, ja, vielleicht. Und all das gegossen in eine Stimme, die ohne Weiteres eine Sendung wie die Ö3-Kuschelecke moderieren könnte (gibts die noch?- anno dazumal von einem gewissen Dominic Heinzl moderiert, der an dieser Stelle noch einmal kräftig verachtet sein soll). Die Stimme rief dann nach quälenden Minuten endlich die Preisträgerin des Rauriser Literaturpreises aufs Podest: Christine Pitzke, die den Preis für ihren Debut-Roman "Versuche den Morgen zu beschreiben" erhielt, stakste verhalten auf die Bühne. Man dachte an einen Franzobel-Text: "jetzt wirst du preisgegeben." Nachdem auch sie sich noch letzte Dankesworte abgerungen hatte, setzte sie zu einer Lesung an, während der schon erste Opfer einschlafen. Darunter auch einer der begleitenden Professoren.

Donnerstag, 31.3.05
Morgens Studentischer Arbeitskreis mit der Preisträgerin, in dessen Rahmen einem Buch, welches seinen Hauptreiz aus allgegenwärtigen Leerstellen bezieht, sämtliche Mysterien genommen wurden. Nachmittags Lesung des Förderpreisträgers Peter Blaikner, der mit pfiffigem (und das Wort sollte schon stutzig machen) Holzhammerschmäh die Geschehnisse während der Salzburger Bauernaufstände (um 1500) vertextete.
Und abends schließlich die Fahrt auf die Heimalm, zu den Lesungen von Peter Steiner und Dietlind Antretter, die in Anwesenheit der gesammelten Haymon-Verlagsmannschaft, ihren Debut-Roman "immer wie immer" präsentierte. Nicht unbedingt Weltliteratur, aber eine Stimme, von der man sich den ganzen Tag lang vorlesen lassen will. Diesen leicht ins sphärische gleitenden Ton hielt dann auch Peter Steiner durch, zumindest thematisch. Passend zum Motto der Literaturtage (Worte und Orte) las er aus drei Werken, die an allen erdenklichen Flecken der Erde spielten, von Südamerika, bis there, and back again. Zu bemerken war, dass es offensichtlich nur in Rauris möglich ist, eine Lesung von mehr als zwei Stunden Länge zu machen, während das Publikum trotzdem aufmerksam bleibt. Wahrscheinlich die Bergluft. Apropos Berg: Der Ort für Steiners Lesung hätte, wie mir A. erklärte gar nicht besser gewählt sein können. Der Vorname, Peter, also Petrus, der Stein, dann der Nachname, Steiner, schließlich die Tatsache, dass er eigentlich Geologie studiert habe und dann auch noch die Lesung auf den Hängen eines Berges. Oft kommt einfach alles zusammen.

Freitag, 1. 4. 05
Wieder ein Einstieg in den Tag mit einem studentischen Arbeitskreis, diesmal mit dem Schweizer Urs Widmer. Diesmal führten das Gespräch wir und nicht die euphorisierten, sehr taktil veranlagten Salzburger (da war einer, der jedem mit dem er sprach kumpelhaft die Hand auf die Schulter legte. Man hätte sie ihm abhacken sollen). Den Nachmittag vertrieben wir uns auf einer Stör-Lesung (kurz erklärt: Dichter lesen in Eigenheimen), einem genuin Rauris'schen Phänomen, welches man überall auf der Welt einführen sollte.
Das Abendprogramm bot dann zwei Autoren, die viel bekannter werden sollten, als sie es sind. Einerseits Leo Tuor, einem von ca. 40000 Sprechern des Sursilvan, der trotz dermaßen geringem Publikum, seine Bücher in genau diesem Dialekt des Rätoromanischen verfasst. 14 Jahre als Schafhirte auf der Alm hätten ihm ein Gefühl für Massenmanipulation gegeben, sagt er: "Wenn ein Schaf über den Abgrund stürzt, würden alle Schafe über den Abgrund stürzen, sagt man. Ich habe das eher bei Menschen bemerkt." So schafft man sich Freunde.
Der Abend gipfelt dann in einer Doppellesung von Karl Markus Gauß und Peter Stefan Jungk, denen man anmerkte, dass sie einmal Schulfreunde waren. Einziges Manko war die bereits stark spürbare Betrunkenheit meinerseits sowie die Saaltemperatur. O-Ton Jungk: "Wie lang lesen wir eigentlich? Jetzt ist es eine Stunde. Wenn ich auf eine Lesung gehe, bin ich nach einer Stunde völlig erschöpft." Widersprochen hat ihm niemand.

Samstag, 2. 4. 05
Das "Gespräch über die Kindheit" leitete den Tag ein und präsentierte als Teilnehmer neben Tuor, Gauß und Jungk vor allem ein neues bzw. frisch angekommenes Gesicht: Herta Müller (die sich bei mir später noch derart unbeliebt gemacht hat, dass sie hier sicher nicht verlinkt wird). Sie ließ sofort bemerken, dass mit ihr nicht gut Kirschen essen ist. Niemals zuvor war Verbitterung so greifbar.
Nachmittags dann, für mich, der eigentliche Höhepunkt des ganzen. Nach der Friedrich Zauner, der bekömmliche Geschichten aus dem Niederösterreich der Neunzehnhundertwende zum Besten gab, betrat endlich der göttliche Franzobel die Bühne. Wie immer gackerte der Saal, nach einer kurzen Aufwärmrunde, munter drauflos und so viele Bücher wie an diesem Tag, hat der gute Stefan Griebel wohl schon länger nicht mehr zu signieren gehabt.
Finale der Literaturtage fand dann Abends in der einzigen ****-Absteige in Rauris, dem Rauriser Hof, statt. Nach dem Bereits erwähnten Urs Widmer und der noch einmal verteufelten Herta Müller betrat der alt ehrwürdige Milo Dor die Bühne. Ein großer Mann, dass ließ sich nicht leugnen. Und wer mit 82 Jahren noch so blitzgescheit mit seinem Publikum umgeht gehört geliebt. Dementsprechend auch der wunderbare Abschluss des Abends mit dem Text "Die erste Liebe". Milo Dors Erinnerung an seine erste Schreibmaschine, die er irgendwann verkauft, als er sich eine neue zulegt. Zitat: "Ich habe meine große Liebe für ein billiges Flittchen eingetauscht." Wir drücken uns derweil eine Träne im Augenwinkel aus - denn man kennt das Problem. Sauer schmeckt das Brot der Einsamkeit.

Dienstag, 29. März 2005

Lass dir die Haare schneiden

oder, wie Knarf LL Rellöm es auch gesagt hat: Das ist Punk, Mann. Weiß trotzdem nicht, ob man Musiker, die man prinzipiell nicht ablehnt, durch die Gegend katapultieren sollte. (Sollte man Musiker überhaupt... egal.)

Last exit

Es wird wohl nichts übrigbleiben, als einen Toursupport aufzumachen, um am Ende auch derartige Tourtagebücher aufs Resort stellen zu dürfen. Schließlich waren die bisherigen Job-Ideen ja eher strictly for the birds, sprich: für die Fische. Z.B.: Das Verfassen von Drohbriefen für die Rundfunkbehörde. Berufsbezeichnung: Gis-Arschloch

walk you home

am samstag nach dem konzert hat a. uns gefragt, ob wir auch die ganze zeit über ganz andere dinge nachgedacht haben während dem konzert, und g. und ich habe beide ja gesagt. a. hat darüber nachgedacht, was sie in ihrem testament schreiben würde, aber auch andere dinge, ich habe mir überlegt, wie schön und logisch die popmusikgeschichte doch verlaufen ist, und wie gut es ist, gerade jetzt in der geilsten popmusikzeit aller zeiten zu leben und an was g. gedacht hat, hat sie nicht gesagt aber ich kann's mir denken.

ich finde - wie auch das ideologie-ministerium - nicht, dass es schlecht ist, wenn man während einem konzert großartig nachdenken kann. bei der vorgruppe fendt (link ist zu hinweisseite auf andere station der selben tour, runterscrollen und kurze band-bio lesen oder selber was besseres über sie googeln) aus darmstadt (hat a. verstanden) bzw. traunstein (habe ich verstande) war speziell der sänger sehr schön und da speziell der blick, mit dem er einen getötet hat, dessen handy bei einer leisen stelle losgegangen ist. für eine vorgruppe, deren aufgabe es eigentlich nur sein sollte, durch die eigene schlechtigkeit den kontrast zur hauptgruppe hervorzukehren, sind fendt eigentlich zu gut, der sänger hat große popstarqualität und die lieder sind so einfach sie sind, auch klasse, aber ich war leider zu geizig ihre cd zu kaufen, kann es also nicht beweisen, aber wenn der schlagzeuger besen verwendet, hat die band sowieso schon gewonnen.

savoy grand, die masters of pop melancholia, mischen melancholie ganz gern mit traurigkeit und trauer mit schmerz (um auch einmal die gute, alte kochrezept-metapher zu verwenden). live haben sich sich auf das gute, alte leise-laut-leise verlassen, das funktioniert immer. und textzeilen, die im fall von savoy grand sowieso traurig, also wahr sind, werden natürlich immer noch wahrer, wenn sie zehnmal wiederholt werden und dann im zehnminütigen gitarrengeschrubel und bassgedrönse im kopf wiederhallen. und dann nimmt man noch einen schluck bier und hat noch zehn weitere soundgewitterminuten, um über die dinge nachzudenken, die halt gerade wichtig sind. kein song unter zwanzig minuten, und ein bassist wie ein mormone, der oft zehn minuten reglos auf der bühne rumsitzt, wenn er nicht gebraucht wird. (beim abbauen hat er auf der bühne ein buch gelesen, habe aber nicht gesehen welches, der sänger ist inzwischen backstage bei einem gläschen rotwein gesessen und hat traurig ins leere gestarrt. the band doesn't sound half bad, hätte ich ihm sagen sollen, nicht if the audience are quiet they like you, otherwise they'd have talked very loud.)


am sonntag spielten dann die schwarzkünstler und offiziellen bohemia-staatsatanisten phail, lowtzow, zank und müller (von links nach rechts) das bisher beste konzert, das ich von ihnen miterleben durfte, was insofern, als dass sie eine miserable liveband sind, nicht weiter schwer war. es waren mehr alte leute da, als ich gedacht hatte, und kaum junge leute. die alten lieder haben komischerweise auch nicht gestört, es war ein harmonisches ganzes, also wurde den göttern des nichtwissenwodagegenseins ein götzendienst gefeiert, der eine art hatte.

bier, schweiß und tränen flossen in strömen, eine wand aus bierdosen und blut empfing die vier wiedergänger, gegen das inferno im publikum erblassten boschens und dantes höllenschilderungen, ein glänzendes fest des rausches und exzesses gipfelte in rituellen menschenopfern und dem verzehr der noch warmen, dampfenden gedärme. im laufe des abends verwischte die grenze zwischen traumhafter ekstase, mysthischer wahrheit und dem, worauf man sich behelfsweise sonst als wirklichkeit einigt, weil es die sachzwänge erfordern, denen tocotronic gerade jetzt, wo allerorten vernunft eingefordert wird, die faustwatsche des wahrhaft erhabenen, großen und schönen, die heilige wut des kaputten, versponnenen und widersinnigen entgegenhalten. es ist einfach prog-rock-musik.

Mittwoch, 23. März 2005

Transzendenz

Keine Ahnung, ob es ein höheres Wesen gibt, wenn ja, danke ich inständig, dass ich nicht mehr auf Bälle gehe. Es bleibt einem einiges erspart.

Kalauer

Das Roth-Werke-Verzeichnis

Russendisko

Vladimir Kaminer ist ja mittlerweile kein Unbekannter mehr. Umso schwerer wiegt die Tatsache, dass man noch nichts von ihm gelesen hatte. Also pilgerte man fleißig in die Bibliothek seines Vertrauens und sah nach, womit man sich denn dort netterweise vom Studium ernsterer Schriften abhalten könnte. Die Wahl fiel auf Russendisko. Gut. Licht aus, Strobo an, Vodkaglass füllen, bitte, danke.
"Russendisko" funktioniert als Buch im Grunde gleich wie das was man sich unter der realen Veranstaltung vorstellt: Frauen, Vodka, Gelächter und Tracks, die miteinander nicht viel zu tun haben, aber einzeln großen Spaß machen. Kaminer referiert aus dem Leben eines Russlanddeutschen, von den eigenwilligen Blüten, die der Clash zwischen Wurzeln und neuer deutscher Heimat bisweilen treibt. Vor allem offenbart sich Kaminer dabei als Meister der Punchline, als humoriger Kommentator alltäglicher Situationen, denen er durch ironische Brechung eine gewisse Tiefe verleiht. In aller Kürze reiht sich so Text an Text, Figuren tauchen auf und verschwinden wieder, die Geschichten erlangen nur durch die konstante Präsenz des Erzählers einen Zusammenhang. Und nach 190 Seiten geht es einem, wie nach dem Besuch einer Disko: Zwei bis drei Lieder hat man sich gemerkt, den Rest vergessen, klar ist nur, dass man sich gut unterhalten hat.

Vladimir Kaminer: Russendisko; Goldmann, 2000
Leseprobe: Russen in Berlin

Alptraum aus der Zettelwirtschaft

Ein Traum passend zu einer Sprite-Reclame, die mal vor einigen Jahren zu sehen war. Stichwort: Ich seh zu viel Tv. (oder würden sie sich das 4, jawohl: VIER-Stündige-Finale von 24 ansehen?)

170305 - 1245
Von einem Fernseher träumen in dem gerade eine eine Doku läuft, in der bärtige, dicke Frauen Sachen sagen wie:"Aber so ein pfiffiger Biergenuss jeden Tag ist mir schon wichtig!"
Dann Schnitt und Auftritt eines Arztes: "Trinken Sie jeden Tag ein Bier! Aber nur eines! Das verdünnt den Klumpen in Ihrem Kopf. Dann kann er endlich abgebaut werden!"
Dann Aufwachen und sich ernsthaft fragen, ob er mein Hirn gemeint hat. Nach dem Schreiben dieser Zeilen schließlich Gewissheit.

Hängt wahrscheinlich alles mit der Gehirnerschütterung zusammen, die ich aufgrund der letzwöchigen Lesung hatte, zu der es aus diesem Grund auch nie einen Nachbericht geben wird. (Legendenbildung haben wir ja so schon betrieben)

Montag, 21. März 2005

"es gibt keine staaten ohne namen" (niklas luhmann)

im dem magazin für popkultur, das ich in meinem nächsten leben dann machen werde, werden ja sämtliche rezensionen ohne kenntnis des rezensionsgegenstandes geschrieben werden, maximal ein paar rezensionen wird man lesen dürfen, und die dann besprechen. um einen ersten schritt in die richtung zu gehen, und weil der herr creekpeople sein resort derzeit so stiefbemuttert, hier also die von jedem germanisitikprofessor stets angeprangerte totsünde einer kurzrezension, obwohl ich erst circa auf seite 140 bin, weil immer sonst so viel quatsch dazwischenkommt.

die verbrecher machen nämlich zwar nicht ganz billige, aber schöne bücher, und deren eines und nicht schlechtestes (um auch einmal eine nina-proll-anspielung zu machen) ist phonon (oder der staat ohne namen) vom ehemaligen spex-könig dietmar dath. die spex (manche sagen auch das spex, habe ich gehört, wichtig ist aber, dass man "schpex" sagt und nicht "spex") ist ja so wie fm4, man kann sie lieben oder hassen, aber sie ist eben da, mehr als alles andere. dietmar dath tut wie jeder vernüftige mensch natürlich beides, und hat sich nicht die mühe gemacht, irgendwas zu verschlüsselromanen bei seinem kleinen, schnellen hass-roman darüber, wie es ist, wenn man sein versagen nicht länger überzeugung nennen kann, aber doch irgendwie stolz darauf ist, seine leidenschaft auf etwas, das viel größer ist, als wir verstehen können, verschwendet zu haben. nach 1945 wurde in deutschland die monarchie wieder eingeführt, merkwürdige religiosität, mystik, geister, dämonen, blendwerk, lügen und roboter prägen das land, die schnittstelle zwischen technik und poltik wird verhandelt, köln ist soundso klasse und auch unmotivierte splatterszenen und seitenlange mathematisch-philosophisch-subkulturelle theorieexkurse gibt's. man will zwar zerstören, kommt aber nie um verstehen herum und dazwischen schwingt ein ganz angenehmes angry-young-men-gefühl und sehr viel erschöpfung. also: vier sterne bei niveau, spannung, action, erotik und spaß.

dath, dietmar: phonon (oder der staat ohne namen), verbrecher verlag, berlin, 2004.

Montag, 14. März 2005

kursus: gewalt, sinnlich erleben

dirty dozen 1.6.entw oder "in eigener sache", wie man sagt, als würde man auch in fremder sache, aber das ist eine andere geschichte.

provinz ist fast überall, pt.3

diesmal am hinweg zum letzten tag der tage das legendäre tocotronickonzert, wo sie nach dem furchtbarsten gewitter aller zeiten nochmal auf die bühne raus sind und den furchtbarsten rock'n'roll-auftritt aller zeiten hingelegt haben (ungefähr so wie kurt wylde mit den ratzzz) und dazu hat es geschneit.

der eröffnende klafu-gewinner stefan griebl, aka fra2:0bel, gewann schon beim kurzen kennenlernplaudern mit markus local heroe köhle mit der erklärung, sein rucksack sei seine reserveplazenta und las dann einen zwar schon veröffentlichten, aber guten text, in dem eine ddr-schülerin fantasiechinesische gedichte vor chinesischen gästen zu ehren des leicht faschistoid angehauchten brechtpreisträgers rezitieren muss. das fetteste bröckerl im bestens aufgewärmten franzobelesquen wortgulasch waren die tränensäcke, die so groß waren, dass sie eines büstenhalters bedürft hätten. na denn, prosit, auf die freiheit der kunst, im rahmen ihrer grenzen.

das scheue reh silke scheuermann hatte den angenehmsten akzent und die beste frisur des abends und trug mit einer stimme, die auf entzückendste weise immer so knapp vorm zerbrechen schwebte wie der wimpernschlag einer libelle, eine lyrische kurzgeschichte aus ihrer sammlung "reiche mädchen" vor, die von der liebe zu kugelblitzen und den schrecknissen gemeinsamen alterns erzählte. der mann in der reihe vor mir bekam dazu einen hustenanfall, liebevoll fürsorglich klopfte ihm seine frau den rücken, achtete gar nicht mehr auf die arme silke, bis ihr schatz sich wieder erholt hatte. kongruenz von inhalt und kontext in ihrer schönsten form schreiben wir dazu in unsere notizbücher.

dann war auch schon pause, der buchverkauf ging diesmal auch besser, alle redeten sich die sache schön, und so war sie es dann wohl auch, und alles was darauf noch folgte, so weit es sich nicht im reich der lügen, mythen und hexer, der trickser und schwarzkünstler verloren hat, wird es des creekpeoples sein, es zu berichten.

Sonntag, 13. März 2005

Morgen ist alles wieder gut

Eigentlich wollte ich einen Nachbericht zum gestrigen Bachmann-Plagiat verfassen. Aber Himmel, Gesäß und Nähgarn, ich bin nicht in der Lage. Genausowenig kann ich mich erinnern, wann ich mir den Kopf gestoßen habe, wahrscheinlich als ich auf der Tanzfläche umkippte. Oder beim Einbiegen in die Klos? Fragen über Fragen und auch auf dem Zettel, den man am Morgen in der Tasche findet steht nicht die Antwort. Selbst wenn - könnte man es ohnehin nicht lesen.

Samstag, 12. März 2005

Provinz ist fast überall pt.2

Nachdem assotsiationsklimbim mich ja gestern dazu verdonnert hat, hier also der Nachbericht zum zweiten Tag der Tage der jungen deutschprachigen Literatur, wieder schön chronologisch geordnet, damit sich jeder auch „zeitlich, örtlich und so verorten“ kann (Zitat des charmanten Moderators Markus Köhle, der sich gleich beliebt machte und mir sein neues Buch schenkte).

Den Anfang machte Arno Geiger, dessen Buch „Schöne Freunde“ ich seit Ewigkeiten im Regal stehen habe, ohne je über die ersten 30 Seiten hinausgekommen zu sein. Geiger las aus einem unveröffentlichten Text, einer Familiensaga, die sich vom österreichischen Staatsvertrag irgendwie in Richtung Jetzt ranken dürfte. Er las artig hinters Mikro geklemmt und räumte meiner Meinung nach gleich zu Beginn die besten Haltungsnoten ab – Ein Kopf, der sich nie bewegte, aber ein Körper der irgendwie ständig drumrum schlenkerte. Wie uns der Moderator verriet, war Geiger nun schon zwei Mal beim klagenfurter Bachmannpreis. „Im Nachhinein hätte ich’s mir sparen können“, meint Geiger darauf und gibt so ohne es zu wissen auch gleich das Motto für den ganzen Abend vor. Denn was folgte, war das, was sich alle Welt unter einer Dichterlesung vorstellt: Prosa, die unaufgeregt vorgetragen wurde, ohne auch nur einmal darauf zu achten, dass ein Publikum auch gerne mal unterhalten werden will.

Auch Autor #2 schiss sich, mit Verlaub, einen Dreck um diesen Sachverhalt. Und das, obwohl Johannes Weinberger Teil der A-Capella-Combo Bauchklang ist und eigentlich wissen sollte, wie eine Crowd standesgemäß zu rocken wäre. Aber bei den Bauchklang-Konzerten hatte ja ebenfalls niemand je eine Ahnung, was dieser Anzugträger eigentlich auf der Bühne zu suchen hatte (oder kam das nur mir so vor?). Spoken Word – aha, also jemand, der ohne Probleme durch einen handelsüblichen Sampler ersetzbar wäre. Angeblich, so referiert der Moderator, habe ein Kritiker geschrieben, dass „Kafka, wenn er in den 70ern geboren wäre, jetzt eine WG mit Weingartner bewohnen würde“. Glaub ich ja nicht, denn „kafkaesk“ heist zwar verwirrend, aber nicht nichtsagend. Kostprobe: „Jeder darf seinen Schmutz in mich laden, weil mein Haar golden leuchtet wie Gold, weil meine Haut weiß ist wie Schwanengefieder und weil meine Augen leuchten wie Chrom.“ Stimmt, das erklärt alles. Trotzdem war Weinberger dann in der Pause am Büchertisch der Bestverkaufte – Käufer waren allerdings Menschen, die gleichzeitig auch noch schnell „Wundränder“ von Sepp Mall erstanden, welches man am Vortag in der Innenstadt geschenkt bekommen hatte.

Nach der Pause schubste man dann Linda Stift auf die Bühne, eine Autorin, die aussah wie 24 (höchstens), eigentlich aber 36 Lenze zählte (unpackbar). Auch wenn man sich sofort selbst ermahnte, nicht auf derartige Äußerlichkeiten zu achten, war die Aufmerksamkeit auch hier nur mit Gewalt am Text zu halten. Das konnte man sich anschaulich an einem der Zuschauer vergegenwärtigen, der einschlief, ohne dass es ihm jemand übel genommen hätte. Denn auch Stift hatte kein Mitleid mit den Zuhörern: Ein Ausschnitt aus ihrem Erstlingswerk „King Peng“, der vielleicht ganz interessant geschrieben ist (Alles was kein Aktiv ist, kommt mir nicht in meine Hauptsatzreihe!), aber merklich an der sogenannten „Leseproben-Krankheit“ litt. Denn um was geht es jetzt in dem Buch wirklich? Geschwisterliebe? Einen Partyservice? Sugokonzentrat in Tuben? Weiß der Teufel. Man hätte sich gewünscht, es erklärt zu bekommen.

Und dann noch der zuvor erwähnte Sepp Mall, den man wahrscheinlich eingeladen hatte, um Subventionen aus dem „Innsbruck liest“-Topf zu lukrieren. Auch Mall beglückte uns mit einem unveröffentlichten Text, der zumindest so etwas wie eine Schlusspointe aufwies und das Publikum immerhin mit dem bei der Stange hielt, was sich Faz-Rezensenten unter „prickelnder Erotik“ vorstellen. Nach dem artigen Applaus musste sich sogar der Moderator ermattet niedersetzen um seine Schlussansage zu tätigen. Was blieb, war die Hoffnung, dass heute, am dritten Tag, alles besser würde. Und das wird es auch - hoffentlich.

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